Presseberichten zufolge haben Warburg und KKR ein Übernahmeangebot für Gerresheimer vorgelegt. Jetzt noch schnell einsteigen?
Renaissance der Nebenwerte?
Seit Monaten thematisiere ich immer wieder, dass es unter den deutschen und europäischen Nebenwerten eine Vielzahl von Schnäppchen gibt. Nebenwerte sind (oder waren) an der Börse komplett aus der Mode gekommen und die Bewertungen waren und sind entsprechend niedrig.
Das hat dazu geführt, dass es zuerst in Großbritannien zu einigen Übernahmen kam, inzwischen ist Deutschland auch in den Fokus gerückt.
New Work verschwindet von der Börse und Compugroup wird übernommen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Mit Bilfinger könnte jetzt die nächste Übernahme anstehen.
Presseberichten zufolge haben Warburg und KKR ein Übernahmeangebot über 90 Euro je Aktie vorgelegt.
Derzeit liegt der Kurs von Gerresheimer bei 78,80 Euro.
Ob es sich dabei nur um Gerüchte handelt oder wirklich eine Übernahme im Raum steht, ist zu diesem Zeitpunkt unmöglich zu sagen.
Den Berichten zufolge gab es jedoch auch noch andere Interessenten, obendrein seien die Gespräche in einem fortgeschrittenen Stadium. All das spricht dafür, dass etwas an den Gerüchten dran sein könnte.
Schaut man sich die fundamentale Lage an, kann man weitere Rückschlüsse ziehen, wie wahrscheinlich eine Akquisition ist.
Global Player in der Pharma- und Verpackungsindustrie
Die Gerresheimer AG hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als weltweit führender Anbieter von Spezialverpackungen und Systemlösungen für die Pharma-, Healthcare- und Kosmetikindustrie etabliert.
Seit der Gründung im Jahr 1864 von Ferdinand Heye als Glasfabrik in Gerresheim bei Düsseldorf hat sich das Unternehmen von einem regionalen Glasproduzenten zu einem international agierenden Konzern mit rund 13.400 Mitarbeitern und Produktionsstandorten auf drei Kontinenten entwickelt.
Das Produktportfolio umfasst die gesamte Bandbreite von Primärverpackungen, die in der Pharmaindustrie benötigt werden. Dazu gehören Glas- und Kunststoffverpackungen wie Injektionsfläschchen, Ampullen, vorfüllbare Spritzen und Insulin-Pens ebenso wie komplexe Drug-Delivery-Systeme wie Inhalatoren und Mikropumpen. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Lösungen für die Kosmetikindustrie, etwa Parfümflakons und Cremetiegel, sowie Spezialbehälter für die Lebensmittelbranche.
Transformative Übernahme
In den letzten Jahren war die geschäftliche Entwicklung dennoch mittelprächtig. Das organische Wachstum ist gering und das Ergebnis läuft weitgehend seitwärts.
Daher hat man im vergangenen Jahr Bormioli Pharma übernommen, der Zukauf könnte transformativ sein.
Bormioli Pharma ist ein führender Hersteller von pharmazeutischen Primärverpackungen aus Glas und Kunststoff sowie Verschlusslösungen, Zubehör und Dosiersystemen.
Das Unternehmen betreibt neun Produktionsstandorte in Europa, erzielt einen Umsatz von rund 370 Mio. Euro und weist eine bereinigte EBITDA-Marge von etwa 21 Prozent auf. Durch die Übernahme werden kurz- und mittelfristig Synergien in Höhe von 3-5 Prozent des Unternehmensumsatzes erwartet.
Der Kaufpreis in Höhe von 800 Mio. Euro entspricht demnach einem KUV von 2,16 und dem 10,3-Fachen des EBITDA. Das ist vertretbar, vor allem, wenn wirklich Synergieeffekte gehoben werden.
Bormioli Pharma passe strategisch ideal zu Gerresheimer und beschleunigt die Transformation des Unternehmens zum integrierten System- und Lösungsanbieter.
Gerresheimer-Chef Siemssen betonte, dass sich beide Unternehmen sowohl im Produktportfolio als auch in der regionalen Abdeckung mit Produktionsstandorten in Europa optimal ergänzen. Mit der Übernahme wird ein neuer Geschäftsbereich für Moulded Glass entstehen, der die Position von Gerresheimer als führender Komplettanbieter für die Pharma- und Biotech-Branche stärkt.
Ausblick und Bewertung
Für das seit Dezember laufende Geschäftsjahr stellt man ein organisches Umsatzwachstum von 3-5 % in Aussicht. Hinzu kommt der Beitrag von Bormioli.
Beim Gewinn soll es zu einer Steigerung des währungsbereinigten Ergebnisses je Aktie im hohen einstelligen Prozentbereich im Vergleich zum währungsbereinigten Wert des Geschäftsjahres 2024 in Höhe von 4,85 Euro je Aktie kommen.
Zur Berechnung unterstellen wir einen Anstieg um etwa 8 % auf ein Ergebnis von 5,20 Euro je Aktie. Gerresheimer käme demnach auf ein KGVe von 15,2.
Sollte es zu einer Übernahme für 90 Euro kommen, entspräche das einem KGVe von 17,3. Es ist gut möglich, dass sich der Vorstand und die Investoren auf diesen Preis einigen könnten.
Aus Anlegersicht gibt es jedoch noch einen weiteren wichtigen Aspekt. Ich habe in der Vergangenheit schon oft im Vorfeld von Übernahmen in Aktien investiert. Dabei stelle ich mir immer eine Frage: Kann ich auch damit leben, wenn der Deal nicht durchgeht? Würde ich auch ohne eine mögliche Übernahme gerne investiert sein?
Im Fall von Gerresheimer ist diese Frage nicht leicht zu beantworten. Die Resultate der letzten Jahre sind eher ernüchternd, der Ausblick ist jedoch gut und die Übernahme von Bormioli könnte die Dynamik verbessern.
Euphorie löst Gerresheimer bei mir nicht aus, aber es ist ein grundsolides Unternehmen.

Gelingt ein Wochenschlusskurs über 82 Euro, kommt es zu einem prozyklischen Kaufsignal mit möglichen Kurszielen bei 85 und 90 Euro. Aus technischer Sicht lägen weitere Kursziele bei 94 – 96,50 Euro, sollte es zu einer Übernahme für 90 Euro kommen, wären sie aber natürlich hinfällig.
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