Der Musik-Streaming-Dienst Spotify geht an die Börse. Warum auch nicht? Viele Unternehmen aus dem Medienbereich sind an der Börse gelistet. Und immerhin ist Spotify nach eigenen Angaben der größte Musik-Streaming-Dienst weltweit.
Aber die Art und Weise, wie Spotify diesen Börsengang vollziehen will, ist zumindest für ein Unternehmen, dessen Wert in der Region von 17 bis 20 Milliarden US-Dollar gesehen wird, absolut ungewöhnlich. Spotify’s Börsengang, der nach derzeitigen Informationen am 3. April stattfinden soll, wird die gesamte Börsenwelt fesseln, denn man wird ein sogenanntes „Direct Placement“ vornehmen. Was das ist, dazu gleich, vorab: Wer und was ist Spotify?
Wer ist Spotify?
Spotify ist nicht, wie man denken könnte, ein US-Unternehmen, es wurde 2006 in Schweden gegründet und hat auch weiterhin seinen Sitz in Stockholm. Seit 2008 bietet Spotify Musik als Streaming-Dienst an.
Die auf Spotify verfügbare Musik wird von den Musiklabels zur Verfügung gestellt. Die Vergütung der Labels und der Künstler finanziert Spotify auf zwei Wegen: Auf der einen Seite durch Werbung, die User, die den Dienst gratis nutzen, akzeptieren müssen. Auf der anderen Seite durch die Abonnementgebühren des Premium-Accounts, der dem Nutzer neben Webefreiheit zahlreiche weitere Vorteile bietet.
Die Zahl der zahlenden User lag laut Spotify‘s Angaben per Ende Februar bei 71 Millionen und damit doppelt so hoch wie die Zahl der Abonnenten beim konkurrierenden Dienst Apple Music. Insgesamt nutzen 159 Millionen Menschen Spotify als Abonnement oder gratis. Anfang 2009 hatte die Zahl der Nutzer noch bei gerade einmal einer Million gelegen.
Wer ein Spotify-Konto hat, kann die Musik über nahezu alle Medien abrufen – ob über PC, Tablet, Smartphone oder bei einigen Automobilherstellern wie Volvo und Tesla, auch über das Fahrzeug.
Spotify ist derzeit in über 60 Ländern verfügbar, Schwerpunkte sind Europa, Nord- und Südamerika, Australien und Teile Südostasiens.
Wie gestaltet sich die Ertragslage?
Bei dieser für einen zukünftigen Investor entscheidenden Frage wird es schon problematisch, denn die Umsätze legen zwar zu, aber das heißt nicht, dass Spotify Gewinne machen würde. Davon ist man im Gegenteil sogar noch weit entfernt:
Aus den für die Genehmigung des Börsengangs vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass Spotify seinen Umsatz im Jahr 2017 auf 4,1 Milliarden Euro gesteigert hat, zudem ist die Zahl der zahlenden Nutzer deutlich gestiegen und doppelt so hoch wie bei Apple Music. Und man könnte unterstellen, dass das durch den Börsengang eingesammelte Kapital dazu dienen wird, schneller zu wachsen und damit die Gewinnschwelle schneller zu erreichen. Aber damit wäre man auf dem Holzweg, denn:
Es wird überhaupt kein neues Kapital eingesammelt, denn es werden gar keine neuen Aktien ausgegeben – dazu im folgenden Abschnitt mehr.
2017 lag der operative, aus dem unmittelbaren Geschäftsbetrieb resultierende Verlust bei 378 Millionen Euro und auch 2016 gab es einen Verlust von mehr 349 Millionen Euro.
Wie kommt man von diesen Verlusten in die schwarzen Zahlen? Indem man dafür sorgt, dass die Zahl der zahlenden Nutzer deutlich zulegt. Aber ob das gelingt, muss sich erst erweisen. Dass Spotify darauf hinweist, dass man derzeit doppelt so viele zahlende Nutzer hat wie Apple Music, lässt bei genauerem Hinsehen auch ein potenzielles Problem erkennen:
Apple Music hat keinen Gratis-Bereich. Und hat weitaus später begonnen, erst im Sommer 2015. Trotzdem hat man dort mittlerweile die Zahl von 30 Millionen Abonnenten überboten. Und die Zahl potenzieller Nutzer von Streaming-Diensten ist ja nicht endlos.
Es ist nicht absehbar, wo die Break Even-Schwelle für Spotify liegt. Bei 100 Millionen Abonnenten, bei 150 Millionen oder bei noch mehr? Und wenn man es wüsste, könnte man nicht absehen, ob und wann eine solche Größenordnung erreicht werden könnte. Was heißt: Die Ertragsperspektiven sind, wie so oft bei Börsengängen solcher Internet- und/oder Medienunternehmen, nicht klar zu umreißen.
Direct Placement: Ein extrem untypischer Weg
Wie eingangs erwähnt, hat Spotify entschieden, ein „Direct Placement“ vorzunehmen. Was heißt das?
Es heißt, dass das übliche Prozedere einfach weggelassen wird. Es gibt keine Konsortialbanken, die das Unternehmen an die Börse führen und anfangs die Kurspflege übernehmen. Es gibt keine „Roadshow“, bei der das Unternehmen den institutionellen Investoren vorgestellt wird. Es gibt keine vorbörsliche Taxierung. Und vor allem: Es gibt keine Preisfestlegung und Zuteilung der neuen Aktien an die „Zeichner“, weil es eben gar keine Zeichnung gibt! Aber warum geht Spotify diesen Weg?
Das liegt nicht nur daran, dass das „Direct Placement“ durch das Ausklammern der Banken immens viel Geld spart. Es liegt auch daran, dass es gar keine neuen Aktien geben wird! Wie bitte, werden Sie sich jetzt fragen? Und was soll dann an die Börse gebracht werden?
Gehandelt werden dann die bereits vorhandenen Aktien, denn Spotify ist längst eine Aktiengesellschaft, nur wurden die Aktien, die bislang Großinvestoren, Vorstände und Mitarbeiter halten, privat gehandelt. Wenn sie wollen, können diese bisherigen Anteilseigner die Aktie ab dem Börsengang an der NYSE (New York Stock Exchange) dann dort anbieten. Was bedeutet:
Warum Spotify’s Börsengang wie ein Popcorn-Movie ablaufen dürfte
Da es mangels Bankenbeteiligung und mangels neuer Aktien kein Bookbuilding-Verfahren zur Ermittlung des Preises für die Aktie gibt, wird die Kursfeststellung am ersten Handelstag eine spannende, womöglich stundenlang andauernde Angelegenheit, denn die Händler haben ja keinerlei Orientierung! Direct Placements gab es auch vorher schon ab und an, aber nur bei kleineren Unternehmen. Das wird also eine knifflige Angelegenheit.
Erst einmal müssen bisherige Spotify-Anteilseigner Aktien überhaupt anbieten. Und tun sie das, könnten sie dafür ja verlangen, was sie wollen: Die einzige Orientierung lieferte Spotify durch die Mitteilung, dass der Preis der privat gehandelten Aktien 2017 zwischen 37,50 und 125 US-Dollar gelegen habe, in den ersten Monaten 2018 zwischen 90 und 132,50 US-Dollar. Das sagt alles und nichts. Immerhin weiß man eines: Das Kürzel der Aktie soll „SPOT“ lauten.
Die bedauernswerten Händler, die an diesem 3. April irgendwie Kaufgesuche und Verkaufsangebote zu einem Kurs zusammenbringen müssen, könnten dafür mangels jeglicher Orientierung sehr lange brauchen. Das wird spannend werden – für Beobachter. Aber sollte man erwägen, sich dort selbst ins Getümmel zu wagen?
Spannung durch Unsicherheit und langfristiger Profit gehen gemeinhin eher nicht zusammen. Und warum sollte man versuchen, ausgerechnet am ersten Tag bei einem Unternehmen mit dabei zu sein, von dem einige mutmaßen, dass es nie nachhaltig die Gewinnschwelle überschreiten wird? Bei dem völlig offen wäre, ob man bei diesem „Direct Placement“ günstig einsteigen oder womöglich das Dreifache dessen bezahlen würde, was die Aktie in einem Jahr kostet? Zumal man nicht absehen kann, ob da von den bisherigen Aktienbesitzern genug Aktien angeboten werden, um einen dauerhaft liquiden Handel sicher zu stellen? Wir meinen:
Das muss man sich ansehen! Wer Zugang zu US-Börsensendern hat, hat da einen spannenden Tag vor sich. Aber selbst gleich an diesem ersten Tag mitzumischen, erscheint aufgrund der dünnen Informationen mehr als verwegen!
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