TeamViewer schreibt ein neues Kapitel voller Chancen und Risiken – diese Übernahme könnte alles verändern.
Volles Risiko: Kapitel 1
Nach dem Börsengang avancierte die Aktie zum Anlegerliebling, das Unternehmen wurde als Corona-Profiteur wahrgenommen und der Kurs ging durch die Decke.
Die Vermutung, dass Corona das Geschäft beleben wird, war naheliegend. Die Realität hat aber gezeigt, dass das Wachstum 2020 auch nicht höher als in den Vorjahren war.
Erschwerend kam dann noch die Tatsache hinzu, dass das Umsatzplus 2021 verschwindend gering war (unter 3%).
Zusammenfassend muss man leider sagen, dass andere Unternehmen die damalige Lage für sich genutzt haben und sich die Marktanteile gesichert haben. Teamviewer hätte eine zweite Zoom Video werden können, wurde man aber nicht.
Das kam bei den Anlegern nicht gut an. Doch es hakte nicht nur bei den Geschäftszahlen, der Vorstand verspielte mit einem gigantischen Werbedeal zusätzlich Vertrauen.
Ungefähr die Hälfte des Unternehmensgewinns wollte man für das Sponsoring von Manchester United in die Hand nehmen.
Das war ein Deal, den es so noch nicht gegeben hat. Normalerweise sind die Hauptsponsoren der großen Fußballvereine Großkonzerne wie die Telekom, Samsung, Bayer oder Hyundai.
Die Werbeausgaben standen demnach in keinem guten Verhältnis zum Nutzen oder dem Budget von Teamviewer.
Diese beiden Faktoren, gepaart mit der allgemeinen Marktschwäche haben zu einem regelrechten Kollaps der Teamviewer-Aktie geführt.
Vom Hoch bei 54,86 Euro ging es bis auf 7,77 Euro abwärts.
Rolle rückwärts
Irgendwann war die Panik aber verflogen und der Deal mit Manchester United vom Tisch. TeamViewer ist bei dem englischen Fußballclub weitgehend ausgestiegen, wodurch sich die jährlichen Kosten von etwa 50 Millionen Euro auf einen einstelligen Millionenbetrag reduzieren werden.
Dadurch ist der Gewinn von 50 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2021 auf 114 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2023 gestiegen.
Was im ersten Moment wie ein großer Erfolg wirkt, ist weit weniger beeindruckend, wenn man weiß. Dass Teamviewer 2019 und 2020 ebenfalls schon mehr als 100 Mio. Euro Gewinn eingefahren hat.
Die Bilanz nach all diesen Jahren ist mehr als ernüchternd. Es ist erstaunlich, wie gering das Wachstum trotz Corona ausgefallen ist und wie schlecht sich das Ergebnis entwickelt hat.
Daher kommt die Aktie auch nicht vom Fleck, obwohl die Bewertung inzwischen niedrig ist. Das KGVe liegt derzeit bei 16,5 – zumindest, wenn die bisherigen Prognosen noch Bestand haben.
Volles Risiko: Kapitel 2
Denn der Vorstand hat heute die nächste fragwürdige Aktion bekanntgegeben. TeamViewer übernimmt für 720 Mio. USD das britische Unternehmen 1E, einen führenden Anbieter von Digital-Employee-Experience-Software (DEX).
Ich halte die Übernahme aus mehreren Gründen für fragwürdig. Zunächst ist der Zukauf im Verhältnis zum Börsenwert von Teamviewer sehr hoch. Das bedeutet, es steht auch entsprechend viel auf dem Spiel.
Der Kaufpreis von 1E entspricht in etwa einem Drittel des Börsenwerts von Teamviewer. Der Umsatz steigt dadurch aber nur um 12%.
Darüber hinaus zahlt man einen horrenden Preis. 1E hat zuletzt einen annualisierten Umsatz von 77 Mio. USD erzielt. Teamviewer legt demnach ein KUV 9,4 auf den Tisch. Das ist mehr als dreimal so viel wie die Bewertung von Teamviewer selbst.
Durch die Übernahme verschuldet man sich in erheblichem Maß und es wird eine längere Zeit dauern, um den Verschuldungsgrad wieder auf ein akzeptables Niveau zu senken.
Nach Abschluss der Transaktion wird der Pro-forma-Nettoverschuldungsgrad voraussichtlich bei etwa 3,3x des bereinigten EBITDA liegen. TeamViewer strebt an, den Nettoverschuldungsgrad bis zum Ende des Geschäftsjahres 2026 auf unter 2,0x zu senken.
Was TeamViewer mit der 720-Millionen-Übernahme bezweckt
Teamviewer wird also erstmal zwei Jahre mit Deleveraging beschäftigt sein. Ob sich das alles am Ende auszahlen wird, steht in den Sternen. Realistisch betrachtet kann es niemand sagen.
Aber eine Sache ist sicher:
In Anbetracht des Kaufpreises steht viel auf dem Spiel. Die Übernahme von 1E kostet Teamviewer in etwa das Sechsfache des Vorjahresgewinns.
Teamviewer begründet die Übernahme jedoch damit, dass man mit dieser strategischen Akquisition das Portfolio im Bereich Digital Workplace Management erweitert.
Die Zusammenführung von TeamViewers Fernwartungslösungen mit der autonomen IT-Plattform von 1E ermöglicht eine Komplettlösung für IT-Prozesse, die durch proaktive und automatisierte Problemvermeidung sowie schnellen Remote-Support die Nutzererfahrung deutlich verbessert.
Durch die Übernahme stärkt TeamViewer seine Marktposition in Nordamerika, erschließt einen wachsenden Multi-Milliarden-Euro-Markt im Bereich DEX und erweitert sein Angebot sowohl für Großunternehmen als auch für kleine und mittlere Unternehmen (SMB). Die Integration fördert Innovationen und KI-Entwicklungen und eröffnet neue Einsatzmöglichkeiten auch im Bereich der Produktionsumgebungen.
Erfahrungsgemäß…
Das Wachstumspotenzial wird durch die Ergänzung des Kundenstamms, einschließlich renommierter Unternehmen wie Airbus, Ford und Nike, sowie durch Umsatzsynergien erhöht. Zudem wird die Führungsriege von TeamViewer um Mitglieder von 1E erweitert, darunter Mark Banfield (CEO und Gründer von 1E) als neuer Chief Commercial Officer.
Die Finanzierung der Übernahme erfolgt durch bestehende und neue Kreditlinien, der Abschluss wird Anfang 2025 erwartet.
Hört sich alles „toll“ an. Wie bei jeder Übernahme werden die möglichen Vorteile gepriesen, über die Risiken wird jedoch wenig gesprochen.
Darunter beispielsweise die Auswirkungen der Finanzierungskosten auf den Konzerngewinn. Teamviewer bekommt die 720 Mio. USD nicht kostenlos zur Verfügung gestellt.
Nehmen wir an, dass die Zinsen bei 6% liegen. In diesem Szenario würden im ersten Jahr knapp 40 Mio. Euro an Zinsen fällig. Der Gewinn von Teamviewer würde dadurch in erheblichem Maß sinken.
Erfahrungsgemäß schaffen derartige Deals keinen Mehrwert für die Aktionäre.
Wie das Endresultat aussieht, wenn zu große Übernahmen schiefgehen, weiß jeder Anleger, vor allem in Deutschland.
Als Investor sollte man sich daher die Frage stellen, ob man an einem Unternehmen beteiligt sein möchte, dass derartige Risiken eingeht und das Firmenkapital auf diese Art und Weise einsetzt.
Aus technischer Sicht bewegt sich die Aktie weiterhin im Niemandsland. Den Bullen hat bisher die Kraft gefehlt, um die Aktie über das Widerstandsband bei 17 Euro zu hieven und einen Befreiungsschlag zu erreichen. Aktuell steht das aber ohnehin nicht zur Disposition. Es stellt sich viel mehr die Frage, ob die Neuigkeiten dazu führen, dass die zentrale Unterstützungszone bei 10,50 – 11,00 Euro durchbrochen wird.
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