Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 15.-21.07.2024

Der Fear & Greed-Index: Ein genialer Indikator … aber nicht immer

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Der Bereich der sogenannten Sentiment-Analyse ist neben der Chart- und Markttechnik ein immens nützliches Tool für das Trading. Der vom US-Sender CNN ermittelte Fear & Greed-Index gehört dabei zu den bekanntesten und besten Werkzeugen. Und er ist normalerweise auch zuverlässig. Das Problem ist aber: Es gibt Sondersituationen, die der Index nicht erfassen kann. Und dann werden seine Signale problematisch … so wie aktuell. Sehen wir uns das mal an.

Die Sentiment-Analyse beharkt den Bereich der Börsenpsychologie: Wie verhalten sich Anleger, was lässt sich daraus ableiten? Dabei wird durchaus zu Recht unterstellt, dass die Stimmungslage der Masse der Marktteilnehmer wie ein Kontraindikator fungiert, wenn sie zu extrem wird. So indiziert extrem bullische Stimmung Gier (Greed). Gier macht unvorsichtig, das verfügbare Kapital wird voll investiert … und irgendwann gehen dem Markt dann die Käufer aus und die Sache kippt. Umgekehrt bedeutet eine massiv negative Stimmung Angst (Fear). Wer Angst hat, verkauft oder hat das bereits getan. Damit ist kaum noch jemand da, der in die gefallenen Kurse hinein aussteigen will, das bedeutet, die Kurse werden über kurz oder lang steigen.

Der Haken dabei ist aber dieses „über kurz oder lang“. Sentiment-Indikatoren sind für das unmittelbare Timing von Trades nicht gut geeignet, „Greed“- oder „Fear“-Phasen können bisweilen verblüffend lange anhalten, daher sind einzelne Indikatoren ebenso spannend wie unzuverlässig. Dieses Problem versucht der „Fear & Greed“-Index von CNN Business zu lösen, indem er sich nicht auf einen, sondern auf gleich sieben Indikatoren stützt.

Sieben einzelne Indikatoren ergeben ein Gesamtsignal … das ist grundsätzlich ideal

Da dieser Fear & Greed-Index CNN Business gehört, kann ich ihn an dieser Stelle nicht einfach abbilden, daher hier der Link dorthin, dann können Sie ihn sich selbst ansehen und nachvollziehen, wo es momentan klemmt: https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed.

Grundsätzlich ist dieser Index ein herausragendes Tool, das ich auch selbst gerne mit in meine Überlegungen einbeziehe, denn er hat einen bedeutenden Vorteil gegenüber den meisten anderen Indikatoren, egal, ob aus dem Bereich Sentiment oder Markttechnik:

Er besteht aus sieben Unterkomponenten und erzeugt damit ein sehr breites Bild, so dass man nicht wie bei Fehlsignalen von Einzel-Indikatoren komplett auf den falschen Dampfer gerät. Folgende sieben Indikatoren bilden zusammen diesen Index:

Die einzelnen Indikatoren: Wer in diesem Index alles mitmischt

Zunächst haben wir da das Momentum, die Schwungkraft des Marktes. Dazu wird hier geprüft, ob und wie weit der marktbreite S&P 500 an der Börse aktuell über dem gleitenden Durchschnitt der letzten 125 Handelstage notiert. Warum man mit 125 Tagen ausgerechnet ein ansonsten nie benutztes Zeitraster gewählt hat, sei dahingestellt, aber vom Prinzip her passt die Aussage: Je weiter der S&P 500 über dieser 125-Tage-Line notiert, desto größer ist das Momentum. Und mit ihm die Euphorie. Euphorie aber heißt, dass die meisten vermutlich schon investiert sind (weil man eher nicht euphorisch ist und zugleich ein leeres Depot hat). Und das bedeutet: Abwärtsrisiko. Umgekehrt gilt: Je weiter der S&P 500 unter der Linie notiert, desto größer ist der Pessimismus, d. h. wer verkaufen wollte, hat wohl schon verkauft. Und das bedeutet: Chancen auf der Oberseite.

Der zweite Indikator ist die Marktbreite des Trends. Je mehr Aktien an der NYSE (New York Stock Exchange) neue Hochs markieren im Vergleich zu denen, die neue Tiefs markieren (immer bezogen auf die letzten 52 Wochen), desto massiver ist die Hausse. Und wenn eine Hausse extrem wird, steht sie eben oft kurz vor ihrem Ende. Daher wird ein hoher Wert von 52-Wochen-Hochs minus 52-Wochen-Tiefs als bullisch und das wiederum als „Gier“ eingestuft, im Gegenzug ist ein geringer oder sogar negativer Wert (wenn mehr neue Tiefs als Hochs vorliegen) extrem bärisch und würde „Fear“ indizieren, d. h. es bieten sich Chancen für steigende Kurse.

Börse aktuell: Entwicklung neuer 52 Wochen Hochs und Tiefs in den USA von 2022 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung neuer 52 Wochen Hochs und Tiefs in den USA von 2022 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Als drittes haben wir eine Messgröße für die Trendstärke des Aktienmarkts, indem die Zahl der jeweils zum gemessenen Zeitpunkt (während der Handelszeit alle paar Minuten) steigenden zu den fallenden Aktien an der NYSE mit ihren insgesamt um die 2.400 dort notierten Unternehmen ermittelt wird. Ist dieser Wert relativ niedrig, steigen also nur wenig mehr Aktien als zugleich fallen oder ist die Zahl nachgebender Aktien sogar höher, wertet der Fear & Greed-Index das als „Fear“.

Indikation Nummer 4 ist die sogenannte Put/Call-Ratio. Hier wird gemessen, wie sich das Verhältnis der am Terminmarkt gekauften Put- und Call-Optionen darstellt. Das ist eine gute Indikation, weil Optionen, anders als hierzulande, in den USA immer noch „das“ Derivat der Privatanleger sind. Wenn der Anteil an Puts über den der Calls steigt ist das ein Signal dafür, dass sich auffallend viele Anleger abzusichern scheinen, weil sie nervös sind. Das ist bärisch, weil man das als Kontraindikation sehen kann: Ungewöhnlich viele Trader, die skeptisch sind, bieten Chancen nach oben. Im Gegenzug ist ein starker Überhang an Calls ein Signal für Leichtsinn und damit als Kontraindikation potenziell bärisch.

Nummer 5: der VIX oder Volatilitätsindex. Er basiert auch auf dem Optionsmarkt und versucht zukünftige Preis-Volatilität zu messen. Steigt der VIX stark an, ist das ein Signal für „Fear“, ein niedriger VIX-Level zeugt von „Greed“.

Die sechste Komponente misst die Kursgewinne am US-Aktien- und am US-Anleihemarkt über die letzten 20 Tage mit jeweiligen Durchschnittswerten. Die Aussage: Wenn die Gewinne am Aktienmarkt höher sind als am Anleihemarkt, ist das ein Signal höherer Risikobereitschaft und wird als Gier, sprich „Greed“ gewertet. Wenn dieses Verhältnis aber zu Gunsten der Anleihen dreht, nimmt der Wunsch der Investoren zu, sich abzusichern, das signalisiert „Fear“.

Zuletzt haben wir noch das Verhältnis der Renditen von Anleihen mit schlechter Bonität (Junk Bonds) zu denen von US-Staatsanleihen, die die höchste Bonität aufweisen. Junk Bonds haben eine deutlich höhere Rendite, sprich man bekommt dort mehr Zinsen als Ausgleich für das höhere Risiko wegen der schwachen Bonität der Anleihe-Emittenten. Wenn die Spanne zwischen den Renditen von Junk Bonds und den US-Staatsanleihen zunimmt, zeugt das von zunehmender Risikobereitschaft und damit von Leichtsinn, was die Gefahr von Rückschlägen erhöht, daher wird das als „Greed“ eingestuft. Wird diese Rendite-Schere kleiner, greifen die Trader also vermehrt zu den weniger hoch rentierenden, aber sichereren US-Staatsanleihen, sieht man das als Signal von Angst, also „Fear“.

Wie wird der Fear & Greed-Index berechnet?

Wie macht man aus sieben Indikationen eine? Das Berechnungsprinzip ist ebenso simpel wie sinnvoll: Alle sieben Indikatoren werden in einer Range zwischen 0 und 100 Punkten berechnet, die sich aus der für diese Indikatoren normalen Spanne ergibt. Diese jeweiligen, aktuellen Wertungen zeigen für sich genommen, Sie sehen das selbst, wenn Sie den obigen Link auf die CNN Business-Seite nutzen, ob der Indikator gerade Angst oder Gier aussendet.

Aus diesen sieben Punktwertungen der Einzelindikatoren wird dann der Wert des Fear & Greed-Index ermittelt, indem die sieben Werte addiert und dann durch sieben geteilt werden, so dass jeder Einzelindikator die gleiche Gewichtung für den Endwert des Fear & Greed-Index erhält.

Dieser bewegt sich ebenso in der Skalenspanne 0 bis 100 Punkte, wobei er fünf Zonen ausweist:  0 bis 24 Punkte werden als „extreme Fear“ gewertet, 25 bis 44 Punkte als „Fear“. Die Zone zwischen 45 und 54 Punkten ist die neutrale Zone, danach sehen wir zwischen 55 und 74 Punkten „Greed“ und darüber, zwischen 75 und 100 Zählern, „Extreme Greed“.

Erinnern wir uns, bevor wir uns jetzt des Pudels Kern ansehen: Das ist ein Kontraindikator, den man also „auf den Kopf gestellt“ nutzt, indem „Fear“ bullisch und „Greed“ bärisch gewertet werden, sobald die Indikationen in die Extremzonen eintreten … und nur, wenn sie in den Extremzonen sind. Erst unter 25 Punkten sollte man den Fear & Greed“-Index als Hinweis auf einen baldigen Aufwärtsschwenk betrachten und erst über 75 als Vorboten einer nahenden Abwärtsbewegung. Zwischen 25 und 75 ist nichts extrem, Trends, die laufen, während der Index in diesem Bereich liegt, sind also, zumindest auf Basis dieser Ebene des Sentiments, nicht gefährdet.

Der Stand der Indikatoren zum Wochenende … und die Quelle des Problems

Die einzelnen Elemente gingen per Freitagabend mit folgenden Aussagen in den Gesamtindex ein:

Indikator 1, Momentum: Extreme Greed

Indikator 2, Marktbreite: Extreme Fear

Indikator 3, Trendstärke: Extreme Fear

Indikator 4, Put/Call-Ratio: Extreme Greed

Indikator 5, VIX: Neutral

Indikator 6, Spanne Anleihe/Aktienkurse: Greed

Indikator 7: Junk Bonds vs. Staatsanleihen: Greed

Damit lag der Fear & Greed-Index insgesamt bei 56 Punkten und damit in der völlig harmlosen Zone zwischen 40 und 60 Punkten, in der er schon seit Ende Mai unterwegs war … und das, obwohl der US-Aktienmarkt seither ungewöhnlich stark zugelegt hat. Doch der Fear & Greed-Index meldete: Alles im grünen Bereich, keine Übertreibung zu sehen. Seltsam?

Und ob das seltsam ist. Also muss man die Sache mal abklopfen … und wird umgehend fündig. Denn wie ist es möglich, dass das Markt-Momentum und die Put/Call-Ratio, also die Indikatoren 1 und 4, extreme Gier vermelden, die Indikatoren für Marktbreite und Trendstärke, Nummer 2 und 3, zugleich aber extreme Angst? Das ist, wenn man mal logisch denkt, unmöglich. Und genau da haben wir unser Problem!

Wieso der Fear & Greed-Index aktuell falsche Signale ausweist

Dieses Problem könnte jeder erkennen … aber die meisten schauen nur auf die Summe, nicht auf die einzelnen Komponenten und merken daher gar nicht, dass hier gerade etwas nicht passt. Vor allem Handelsprogramme, die den Fear & Greed-Index als Signalgeber nutzen und nicht seine einzelnen Elemente, sind dadurch derzeit auf dem falschen Dampfer, den der Index eigentlich vermeiden sollte und es in der Regel ja auch tut. Worum geht es?

Es geht natürlich um die Indikatoren Nummer 2 und 3, die gerade melden, dass am Aktienmarkt extreme Angst umgeht, während der Überhang von Calls zu Puts zuletzt so groß war wie zu keinem Zeitpunkt in den vergangenen zwölf Monaten und die Aktienmärkte von einem Rekordhoch zum nächsten marschieren.

Wer nicht will, dass der Index zu viel Leichtsinn meldet, weil er sich weiter steigende Kurse erhofft, freut sich über diese Werte des Gesamtindex im harmlosen Bereich und schaut nicht genauer hin, wieso das so ist. Was indes genau das noch unterstreicht: Leichtsinn. Das wäre, als würde mein Motor auf einmal dramatische Geräusche von sich geben und ich als Reaktion darauf das Radio lauter stellen. Denn ja, dieser „Motor“ sendet gerade falsche Signale aus, weil diese beiden Unterindikatoren Nummer 2 und 3 normalerweise in ihrer Aussage richtig eingeordnet werden. Aber aktuell haben wir eben eine ganz und gar nicht normale Börsenphase in der das, was man hier als positiv, d.h. für steigende Kurse zuträglich wertet, genau das nicht ist. Basis all dessen:

Die extreme und schon lange anhaltende Konzentration von immer mehr Anlegern und immer mehr Kapital auf ungewöhnlich wenige US-Aktien.

Börse aktuell: Anzahl steigender zu fallender Aktien an der NYSE und Entwicklung NYSE Composite und S&P 500 im Vergleich 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Anzahl steigender zu fallender Aktien an der NYSE und Entwicklung NYSE Composite und S&P 500 im Vergleich 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Der Run in die sogenannten „Magnificent Seven“, also die Mega-Caps unter den Hightechs Apple, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta, Microsoft und Tesla sowie zudem in Aktien wie z.B. Broadcom oder ARM Holdings, die im „KI-Hype“ immens zulegen, hat dazu geführt, dass diese Aktien in ihren Indizes ein immer höheres Gewicht haben und so den ganzen Markt dominieren. Diese Entwicklung, dass extrem viele extrem wenige Aktien kaufen, die aber immer mehr und mehr, ist alles, nur nicht klug. Es erhöht das Risiko von Rückschlägen extrem … und die ersten Ansätze davon haben wir am Donnerstag und erneut dann zum Handelsende des Freitags ja bereits zu sehen bekommen.

Aber weil diese Sondersituation den Effekt hat, dass nur wenige Aktien neue Hochs markieren, weil so viele sich auf so wenige Aktien stürzen und der Rest quasi auf dem Grabbeltisch liegen bleibt, haben wir eine geringe Zahl neuer 52-Wochen-Hochs und eine schwache Relation von steigenden zu fallenden Aktien. Zwar stieg der Markt insgesamt trotzdem immer höher, weil diese wenigen „Dauerläufer“ die Indizes immer höher zogen – eines der krassesten Signale für brandgefährlichen Leichtsinn. Aber:

Diese beiden Indikatoren 2 und 3 für Marktbreite und Trendstärke sind dadurch schwach, liegen festgezurrt im Bereich „Extreme Fear“ und führen so dazu, dass der Gesamtindex gar nicht in die „Extreme Greed-Zone“ vorstoßen kann, obwohl genau das am Markt vorherrscht. Einfach, weil die Werte der beiden Indikatoren immens niedrig sind, mit zwei Siebteln in die Gesamtberechnung eingehen und so für den „Fear & Greed“-index selbst einen Deckel aufgebaut haben, der verhindert, dass Werte über 75 Punkte und damit „Extreme Greed“ erreicht werden können.

Börse aktuell: Umverteilung vom Nasdaq 100 zum Russel 2000 am 11. Juli 2024 | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Umverteilung vom Nasdaq 100 zum Russel 2000 am 11. Juli 2024 | Quelle: TWS

Fazit: Der „Fear & Greed“-Index könnte die Hausse unfreiwillig noch intensiviert haben

Wenn man sich überlegt, dass der Fear & Greed-Index allgemein immer mehr Beachtung findet und er sich zudem sehr gut eignet, um Signalgeber von computergesteuerten Handelsprogrammen zu sein, kann es einem ein wenig bange werden. Einem Handelsprogramm muss man ja einfach vorgeben „unter 25 kaufen, unter 20 Long mit Derivaten … über 75 Long verkaufen, über 80 Short mit Derivaten“. Das funktioniert gut, denn der Indikator an sich ist ja ein tadelloses Tool. Aber wäre es so, kommt der Gedanke auf, dass diese durch diese Sondersituation hervorgerufene Fehlfunktion die Hausse am US-Markt noch intensiviert haben könnte. Und damit das Rückschlagrisiko. Vor allem, wenn passieren sollte, was sich am‚ Donnerstag andeutete:

Nämlich, dass die „Anderen“, die vielen lange ignorierten Aktien, anziehen, weil begonnen wird, Geld aus den glühend heiß gelaufenen „Magnificent Seven“ in konservativere Aktien umzuschichten. Dann steigen eben auch einmal ganz viele statt ganz wenige Aktien. Dann werden relativ bald sehr viele neue 52-Wochen-Hochs erreicht. Dann haut das aber die beiden „Fehlfunktionen“ in Form der Indikatoren 2 und 3 sofort nach oben, die senden plötzlich „Extreme Greed“ und der Fear & Greed-Index zieht rasant nach oben, während der Gesamtmarkt, gedrückt von den wenigen Super-Schwergewichten, aus denen dann viele herauswollen, fällt!

Kommt es so? Dass das passieren kann, hat vor allem der Donnerstag ja gezeigt. Also? Also ist es wie immer an der Börse zwingend, sich nicht einem schönen Schein hinzugeben, sondern unbedingt und bei allem genauer hinzusehen!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellenangaben:
Fear & Greed-Index, CNN Money: https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed

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Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

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Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

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Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Angeblich wird das zweite Halbjahr 2024 ziemlich bullisch. Das sagen zumindest Statistiken. Erstens, weil der Juli besonders bullisch ist, angeblich. Und weil der Aktienmarkt in US-Wahljahren statistisch gesehen steigt. Das Problem ist: Statistiken sind „biegsam“. Sie zeigen nur einen Durchschnittswert, der aussagt: Tendenziell stiegen die Kurse in den vergangenen Jahren im Schnitt ab jetzt erst mal weiter. Schön, nur heißt das eben übersetzt: Oft ist das so … wenn aber nicht, dann nicht. Auf dieser Basis soll man traden? Sehen wir uns mal Beispiele an.

Nehmen wir mal an, Sie kommen an eine Brücke, die, vorsichtig formuliert, wenig vertrauenerweckend daherkommt. Am anderen Ende gibt es aber eine dicke Belohnung, das lockt, hinüberzugehen. Aber wenn der zuständige Brücken-Troll ihnen mitteilt, dass diese Brücke in zwei Drittel der Fälle gehalten hat, wenn jemand darüber gelaufen ist, man ansonsten aber publikumswirksam 80 Meter tiefer im Abgrund zerschellt … würden Sie dann ohne lange nachzudenken frohgemut losmarschieren? Nein? Aber sehr viele Anleger tun genau das – und zwar mit ihrem Geld.

Gut, Geld und der eigene Körper sind nicht dasselbe, aber wenn Sie ihre Ersparnisse verzocken, sind die Folgen auch nicht ganz ohne. Und glaube niemand, diese Leute tun das, weil der für den Trend zuständige Börsen-Troll genuschelt hat. Sie hören nur nicht hin und sehen einfach das, was sie sehen wollen. Genauer hinzusehen wäre aber höchst ratsam, auch und gerade in Sachen Statistiken.

Die Aussage einer Statistik hängt entscheidend von der erfassten Zeitspanne ab

In einem Artikel von „Morningstar“ las ich dieser Tage, dass die Bespoke Investment Group mitteilte, dass der Juli der beste Monat für den S&P 500 in Sachen Performance sei, seit dessen Berechnungsstart ebenso wie über die letzten 20 Jahre. Na, sagt sich der geneigte Bulle daraufhin zweifellos, da kann man also noch ein paar Schippen Kohle nachlegen.

Kann man? Da mir das mit dem Top-Performer Juli nicht bewusst und irgendwie suspekt war, habe einfach mal woanders nachgeforscht. So hat die Nachrichtenagentur Reuters die durchschnittliche monatliche Performance des S&P 500 seit 1945 berechnet. Da kommt man aber für den Juli nur auf Platz vier nach November, Dezember und April. Und sieht diese durchschnittliche Juli-Performance bei 1,2 Prozent.

(Einwurf: Beim DAX kommt der Juli bei einer solchen Rechnung, beginnend 1959, nur zusammen mit dem Januar auf Platz fünf nach März, November, Dezember und April.)

Wie belieben? 1,2 Prozent im Schnitt beim S&P 500? Aber das haben wir ja in den vier bisherigen US-Handelstagen des Julis schon abgefrühstückt, wir liegen da an der Börse aktuell ja schon bei +1,95 Prozent!? So ist es. Was indes nicht heißt, dass jetzt in Sachen Hausse Feierabend sein muss. Es zeigt aber eines auf:

Schnittwerte sind, wenn sie über eine zu kurze Zeitspanne ermittelt werden, nichts wert. Und ist die Zeitspanne andererseits zu lang, kommt nur statistischer Matsch heraus, weil nun einmal kein Monat dauernd steigende oder fallende Kurse liefert, sondern es immer mal so, mal so läuft.

Und dass die einen den Juli als Top-Performer ausrufen, die anderen nicht, basiert einfach darauf, dass die Berechnungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten begannen. So liegen die üblen Jahre 2000-2003 eben außerhalb der von Bespoke Investment Group erwähnten 20 Jahre. Und was den erwähnten „Beginn der Berechnung“ des S&P 500 angeht, ist diese Aussage unklar, denn je nach Betrachtung kann dieser Beginn 1923, 1928 oder 1957 sein.

Es läuft immer mal so, mal so … der Schnitt davon bringt einem Trader so gut wie nichts

Nicht, weil ich nichts Besseres zu tun gehabt hätte, sondern um der Sache etwas mehr Struktur zu verleihen, habe ich mir die Performances im Juli für den S&P 500 über die letzten 20 Jahre (2004 – 2023 inklusive) mal genau angesehen. Folgendes kam heraus:

In den letzten neun Jahren brachte der Juli jedes Mal einen Kursgewinn. Und insgesamt lag die Zahl der positiven zu den negativen Juli-Monaten bei 15 zu 5. Das wirkt überzeugend. Aber:

Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 im Juli von 2013 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 im Juli von 2013 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Bisweilen fiel eine Aufwärtskorrektur in einem insgesamt schwächeren Markt ausgerechnet auf den Juli, so z.B. 2022 oder aber es ging dafür direkt danach, im August, massiv abwärts. Was übrigens auch etwas ist, das man in solchen Statistiken nicht liest: Der August ist im langfristigen Schnitt eine Nullnummer, der September dann der im Schnitt schwächste Monat von allen. Warum also im Juli noch einsteigen? Aber weiter mit meiner Rechnerei:

Dann dachte ich mir, dass 20 Jahre aktuell ein höchst cleverer Zeitpunkt für eine bullische Aussage sind, weil das die schlechten Jahre 2000-2003 ausnimmt. Also habe ich den Zeitraum auf 25 Jahre erweitert, also ab 1999 bis 2023 einschließlich. Und schon sieht das Bild anders aus, denn sogar 1999 brachte der Juni ein Minus, 2000, 20001 und 2002 ebenso, nur 2003 kam ein kleines Plus heraus. Bei 25 Jahren haben wir also eine Relation von 16 zu 9 … das ist schon deutlich weniger überzeugend.

Das zeigt schon: Da läuft es wie beim eingangs erwähnten Brücken-Beispiel. Es kann mal so, mal so laufen, der Schnittwert davon ist somit kein Wegweiser für egal was. Davon mal abgesehen, dass er ja nur aufzeigt, was im Schnitt der vergangenen X Jahre passiert war. Da sich die Welt aber bekanntlich weiterdreht, jede Situation anders ist als eine in der Vergangenheit und Überraschungen an der Börse deren tägliches Brot sind, taugt das als Blick nach vorne … gar nichts. Davon mal abgesehen:

Wenn man Statistiken und Schnittwerte beachtet, dann aber auch die ungünstigen

Gerade erst vor zwei Wochen aktualisierte Reuters den Stand der Dinge in Sachen S&P 500-Kursziele der Analysten, konkret am 22. Mai, basierend auf einer vom 13. bis 22. Mai durchgeführten Umfrage unter 50 Marktstrategen. Deren Kursziel lag im Schnitt bei 5.302 Punkten für den 31.12.2024. An diesem Punkt sind wir an der Börse aktuell aber schon um fünf Prozent vorbei gelaufen, sprich der Index müsste im zweiten Halbjahr fallen, wenn er dorthin kommen wollte.

Haben die Marktstrategen keine Ahnung? Warum sind die überhaupt so komisch skeptisch, Kursziele liegen doch sonst fast immer weit über dem aktuellen Kurs, egal ob bei Einzelaktien oder Indizes?

Nun, das könnte daran liegen, dass die Rahmenbedingungen … im Gegensatz zu entsprechend von Startzeitpunkt und Fragestellung her zurechtgebogenen Statistiken … nicht zu einer Dauer-Hausse auf Rekordniveau passen. Da werden sogar Leute vorsichtig, die sonst immer bullisch sind. Und wer als Trader einigermaßen bei Sinnen ist, beachtet, wenn man schon Statistiken zur eigenen Orientierung hernehmen will, beide Seiten der Medaille und registriert auch solche Zahlen, die einem nicht in den Kram passen. Aber, so mag ein irritierter Bulle einwenden: Was ist denn mit dem „Wahljahr-Effekt“?

Wahljahre sind bullisch? Wie man’s nimmt.

Auch da kommt es darauf an, wo man anfängt, die Statistik zu berechnen. In einem Artikel von Franklin Templeton gab es u.a. eine Statistik (Link dazu ganz unten), die die Jahre 1990 bis 2018 beim S&P 500 hinsichtlich dessen Performance in den vier Jahren eines Wahlzyklus abklopft. Das für manche sicher erstaunliche++ Ergebnis: Es waren die Jahre außerhalb von Präsidentschafts- und Zwischenwahlen, die die starke Performance brachten, nicht das Wahljahr selbst. Da kam im Schnitt der in diesen Zeitraum fallenden sieben Präsidentschaftswahlen nur eine S&P-Performance von 5,83 Prozent zusammen.

Nimmt man die Wahl 2020 mit hinein, korrigiert sich das zwar nach oben, denn 2020 erreichte der Index eine Performance von 18,4 Prozent. Aber der Schnitt … und da sind wir wieder bei diesem Faktor … verschiebt sich dadurch ja nur mäßig, von 5,83 auf 7,36 Prozent. Und bis jetzt, stand Schlusskurs 5. Juli, liegt die bisherige Jahres-Performance des Index bereits bei 16,7 Prozent. Tja.

Und um diese Sache mit der Aussageschwäche von Schnittwerten zu untermauern, habe ich die Jahres-Performances dieser Wahljahre 1992 bis 2020 inklusive mal einzeln herausgerechnet: 1992 7,6% … 1996 23,0% … 2000 -9,1% … 2004 10,9% … 2008 -37,0% … 2012 16,0% … 2026 12,0% … 2020 18,4%.

Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 in US-Wahljahren von 1992 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 in US-Wahljahren von 1992 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die Spanne reicht also von -37 bis +23 Prozent. Dass insgesamt trotzdem ein Plus herauskommt liegt daran, dass sechs dieser acht Wahljahre einen Kursanstieg brachten, von denen aber nur die 1996 und 2020 höher lagen als das, was der S&P 500 bereits jetzt, zur Halbzeit, eingefahren hat. Und alleine der Umstand, dass die schwachen Jahre 2000 und 2008 nicht wegen der Wahl, sondern wegen der Rahmenbedingungen schwach waren sollte klar machen: Die wiegen immer deutlich schwerer als das politische Possenspiel vor Präsidentschaftswahlen, im positiven ebenso wie im negativen Sinn.

Hinschauen ist sinnvoll, blind daran zu glauben nicht

Gerechnet ab 1929 und damit über 95 Jahre, hat der S&P 500 nur in 30 Jahren im Jahressaldo ein Minus ausgewiesen, auch dazu finden Sie unten einen Link. Somit sind, statistisch gesehen, 68,5 Prozent aller Jahre bullisch. Das klingt wie eine sichere Bank, aber wieder siehe oben: Bei einer Brücke würden Sie vermutlich anders denken. Und wenn Jahre übel wurden, dann gerne richtig. Nur liegt das letzte fatal schwache Jahr mit -38,5 Prozent gut 15 Jahre zurück, das war 2008. Lange genug, um es zu verdrängen und in alte Muster zurück zu fallen. Aber ich meine:

Kaum etwas ist gefährlicher, als eine Gefahr zu ignorieren, indem man sich nur die Daten heraussucht, die einem in den Kram passen. Im „realen Leben“ ebenso wie an der Börse. Aber Statistiken sind wunderbar geeignet, entsprechend unklug zu verfahren, weil sie einem vorgaukeln, einen Blick auf die Zukunft werfen zu können.

Ich gehe an keiner Statistik vorbei: Kommt da etwas, schaue ich hin. Aber es gibt auch keine Statistik, die ich nicht sofort hinterfrage und gegenprüfe. Für mich ist dieser Juli 2024 ein Börsenmonat wie jeder andere und das Jahr 2024 ein Börsenjahr wie jedes andere. Was im Durschnitt von X Jahren in einem Juli oder einem Wahljahr passiert ist, ist zweifellos interessant anzusehen. Aber es kann nie ein verlässlicher Wegweiser für die Zukunft und das eigene Trading sein!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellenangaben:
Morningstar-Artikel über die S&P 500-Performance: https://www.morningstar.com/news/marketwatch/20240629284/sp-500-gain-in-first-half-of-2024-blows-historical-average-out-of-the-water
Reuters-Grafik über die monatliche S&P 500-Performance ab 1945: https://www.reuters.com/graphics/USA-MARKETS/SEPTEMBER/zdvxozbwqpx/
Reuters-Meldung über die Kursziele der Analysten für den S&P 500: https://www.reuters.com/markets/us/sp-500-end-2024-around-current-levels-after-strong-run-2024-05-22/
Franklin Templeton-Artikel zum Thema Wahljahre in den USA: https://www.franklintempleton.de/aktuelles/2024/institute/kurze-uberlegungen-haben-die-wahlen-entscheidenden-einfluss-auf-die-markte
Jahres-Performances des S&P 500 seit 1929: https://www.macrotrends.net/2526/sp-500-historical-annual-returns

Die Rahmenbedingungen für die Börsen unterliegen einem permanenten Wandel. Daher kann man nicht immer richtig liegen, mal eine Zeit lang auf dem falschen Dampfer zu sein, gehört dazu und passiert jedem. Was aber nicht sein muss und doch verblüffend verbreitet ist, ist die Neigung, dann stur auf einer falschen Meinung zu beharren. Das ist etwas, das sich seit Anbeginn der Börse nie verändert hat und viele unnötig viel Geld kostet. Warum ist das so?

Eigentlich ist die Antwort so simpel, dass man diese Kolumne auf einen Absatz beschränken könnte: Wenn es um Geld geht, ist bei vielen nicht nur der Spaß vorbei, es setzt auch der Verstand aus. Denn Vernunft unterliegt einer starken Emotion bei den meisten ein ums andere Mal: der Gier. Punkt.

Wenn dieser Beitrag trotzdem weitergeht, dann deshalb, weil ich über die vielen Phasen, in denen Gier zur leitenden Emotion sehr vieler wurde und in denen sich das nicht selten katastrophal rächte festgestellt habe, dass diese Fehler immer wieder gemacht werden.

Der Blick in den Spiegel: Es geht nicht ohne!

Nicht nur von der nächsten Trader-Generation, die einfach mal unterstellt, dass die „Alten“ doch keine Ahnung haben, wie es heute läuft und somit jedwede Warnungen in den Wind schlagen. Erinnern Sie sich an Ihr Denken und Tun als Teenager und überlegen Sie, wie Sie heute denken: Diese innere Aufmüpfigkeit ist normal. Und nicht wegzukriegen. Sie ist auch nicht wirklich das Problem, die meisten zahlen einfach Lehrgeld und werden mit den Jahren schlauer, das passt. Aber einige eben nicht. Weil?

Weil sie mit den Konsequenzen eines eigenen Fehlers falsch umgehen, indem sie umgehend anderen die Schuld zuweisen und nie das tun, was ein guter Investor immer mal wieder tun muss und auch tut: einen Blick in den Spiegel werfen und sich hinterfragen. Besonders gute Anleger tun das übrigens nicht nur, wenn etwas schiefging, sondern auch, wenn sie einen spektakulären Erfolg hatten. Die Frage lautet dann: War das meine Leistung, mein Wissen, mein Weitblick, meine Disziplin … oder habe ich einfach nur Glück gehabt?

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1996 bis 2024 - Die letzte Baisse ist lange her | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1996 bis 2024 – Die letzte Baisse ist lange her | Quelle: marketmaker pp4

Die meisten erkennen ihre Fehler lange Zeit nicht … und einige erkennen sie nie

Das Problem, das dazu führt, dass so vielen Besonnenheit und Selbstdisziplin abgeht, die sich darin äußern würde, erst nachzudenken und dann zu handeln statt umgekehrt … konsequent auszusteigen, wenn man erkennt, dass man falsch liegt … nie zu viel zu wagen und Reserven zu halten und so weiter, ist, wie gesagt, dass es hier um Geld geht. Um Geld, das gewonnen oder verloren werden kann, sicher. Aber in einem Umfeld, in dem diejenigen, die mit unserem Geld Geld verdienen wollen, medial omnipräsent sind, in dem hochriskante Aktionen wie die Kaufwellen nach dem Corona-Crash am Ende gutgingen und die letzte Baisse lange her ist, ist das mit dem Verlieren nur bei wenigen im Kopf verankert.

Wenn wir uns überlegen, dass die letzte Phase, in der es mehr als zwei Jahre dauerte, bis man, hätte man am Hoch einen Index wie den DAX gekauft, sein Geld wiedersah, auf das Jahr 2008 zurückgeht, ist das kein Wunder. Vor allem, wenn man sieht, dass Leute bei Aktien, die wegen Gewinnwarnungen (also nicht wegen Peanuts) weggebrochen sind, dann nur zwei, drei Wochen danach wieder anfangen zu kaufen und so belegen, dass sie das Gedächtnis einer Stubenfliege haben, die alle paar Sekunden gegen dasselbe geschlossene Fenster donnert.

Börse aktuell: Entwicklung Beyond Meat von 2019 bis 2024 - Absturz auf Raten | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Beyond Meat von 2019 bis 2024 – Absturz auf Raten | Quelle: marketmaker pp4

Und wenn wir dann noch sehen, dass viele trotzdem Gewinn machen, obwohl sie eine Leiche nach der anderen im Depot haben, keine Stopps setzen, sondern die Verluste einfach laufen lassen, weil sie ein paar der Super-Raketen der letzten Monate mit im Portfolio haben, die das ausgleichen … warum sich selbst hinterfragen, warum in den Spiegel schauen, es läuft doch an der Börse aktuell?

Aber das funktioniert eben nicht immer. Sicher, Phasen, in denen das brutal bestraft wird, in denen Anleger auf Jahre hinaus große Teile ihres Ersparten verlieren und oft nie wiedersehen, sind selten. Aber wenn, haben sie immer heftige Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, denn wer statt ein paar Zigtausend Euro auf dem Konto nur noch ein paar Tausend hat, neigt nicht zu großen Anschaffungen. Deswegen ist jeder, der beim nächsten Mal sein Geld rettet, für alle ein Gewinn.

Was wäre der richtige Weg?

Ein solcher Beitrag wäre unsinnig, wenn er nur Probleme aufzeigen und keine Lösungen anbieten würde. Also mache ich mich dran, wobei ich eines unterstreichen möchte: Ich habe meine ersten Aktien und Optionsscheine 1989 gekauft. Damit habe ich an der Börse schon einige auch dramatische Phasen erlebt, aber deswegen bin ich weder unfehlbar noch allwissend. Meine Gedanken sind Anregungen, die man aufgreifen kann, aber nicht muss. Aber wie gesagt: Solange nur ein paar diese Zeilen im Kopf behalten, ist schon viel gewonnen. Ich meine:

Börse aktuell: Entwicklung Rohöl von 2006 bis 2009 - Verrückte Rohöl-Hausse ohne Grundlage | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Rohöl von 2006 bis 2009 – Verrückte Rohöl-Hausse ohne Grundlage | Quelle: marketmaker pp4

Der erste Schritt wäre für jeden, der es bislang nicht tut, der Schritt vor den vorgenannten Spiegel: Was mache ich da eigentlich? Agiere ich bewusst, besonnen, kenne ich mich mit dem, was ich tue, wirklich aus? Oder bin ich nur ein Spielball einer medial befeuerten Hausse und lasse ich mich von dem, was andere tun, mitreißen?

Wer bei diesen Fragen von sich selbst ehrliche Antworten bekommt, könnte schnell die nächste Frage nachschieben: Kenne ich neben meinen Chancen (die jeder kennt und die viele überhöhen und exklusiv betrachten) auch die Risiken? Weiß ich sicher, was ich wage und habe ich das im Griff? Die Antworten würden bei denen, die es bislang nicht tun, dazu führen, sich kundiger zu machen und das Depot mit Stoppkursen abzusichern.

Börse aktuell: Entwicklung HelloFresh von 2019 bis 2024 - Niedergang mit Ansage | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung HelloFresh von 2019 bis 2024 – Niedergang mit Ansage | Quelle: marketmaker pp4

Von der Nabelschau über ein solides Fundament hin zum echten Trader

Eigentlich könnte man, hätte man daraufhin das nötige Fachwissen erworben, die Positionen auf ihre Sinnhaftigkeit abgeklopft, den Mist rausgeworfen und die soliden Positionen mit Stopps gesichert, die Füße hochlegen. Aber man könnte dann auch weitergehen.

Man könnte die Chancen, die Trading-Disziplin und Wissen bringen, nutzen und statt wirrem Hin und Her gezieltes Trading beginnen. Ja, das bedarf Zeit, geht nie ohne eine „try & error“-Phase ab, in der „error“ nicht nur Dekoration ist. Und es fordert einen bisweilen nervlich heraus, weil diszipliniert zu agieren bisweilen härteres Brot ist als anschwellende Verluste zu ignorieren, aber:

Bei all diesen Beispielen, die ich in den begleitenden Charts abgebildet habe und die man als „Galerie der großen Dummheiten“ bezeichnen könnte, wäre man dann eben nicht dabei … bzw. stünde auch beim großen Heulen und Zähneklappern nach einer sinnfreien Welle der Gier auf der richtigen Seite. Eines könnte ich da zu behaupten wagen:

Börse aktuell: Entwicklung AMD von 1999 bis 2024 - 20 Jahre zwischen 2 Hochs | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung AMD von 1999 bis 2024 – 20 Jahre zwischen 2 Hochs | Quelle: marketmaker pp4

Je mehr man sich mit dem Thema Börse ernsthaft beschäftigt, desto mehr Zufriedenheit bringt es … und in der Regel dann auch mehr Gewinn und weniger Totalausfälle. Schauen Sie sich einfach mal um, unter den Bereichen https://www.lynxbroker.at/boerse/boerse-kurse/boerseninfo/, https://www.lynxbroker.at/boerse/trading/ oder https://www.lynxbroker.at/boerse/webinare/ haben meine Kollegen und ich über Jahre hinweg nützliche Wissens-Beiträge bereitgestellt. Und was gute Börsenbücher angeht, würden Sie, was meine Favoriten angeht, hier fündig: https://www.lynxbroker.at/boerse/boerse-kurse/boerseninfo/boerse-news-tipps/diese-10-boersenbuecher-sollten-sie-gelesen-haben/.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Nichts kam in den letzten Jahren auch nur ansatzweise an die Performance des Nasdaq 100 heran, auch aktuell hängt er alle anderen Indizes ab. Damit erscheint die Frage, in welchem US-Index man als Anleger am besten aufgehoben wäre, bereits beantwortet. Aber ist der aktuell stärkste denn auch wirklich zugleich der beste Index, wenn es um kluges Investieren geht?

Da kann man doch in kurzer Zeit richtig viel Geld machen, antwortete mir kürzlich ein Bekannter, nachdem er mich nach meiner Meinung zu seiner Idee gefragt hatte, sein Geld aus Europa-Investments herauszunehmen und in den Nasdaq 100 zu transferieren. Ich hatte das nämlich nicht für die allerbeste Idee gehalten und damit die für ihn eindeutig falsche Antwort abgeliefert. Erwartet wurde ein bestätigendes Nicken nebst „Daumen hoch“ … und dann komme ich mit dem S&P 500 daher. Tja, er hätte ja nicht fragen müssen …

Meine Antwort basierte darauf, dass ich nach jetzt 35 Jahren als Anleger mittlerweile gelernt habe, zuerst über die Risiken nachzudenken, abzuwägen, was ich im ungünstigsten Fall verlieren könnte, ob ich das hinnehmen will und dann erst, wenn der Trade läuft, an mögliche Gewinne zu denken. Denn die Erfahrung hat mich gelehrt, dass die alte Regel „mit möglichen Verlusten muss man sich immer beschäftigen, Gewinne passen auf sich alleine auf“ so verkehrt nicht ist, wie sie in manch Anlegers Ohren klingen mag.

Klar, man geht vor einem Trade grundsätzlich davon aus, dass der Sinn ergibt, sonst würde man es ja bleiben lassen. Aber zu viele glauben, dass der Gedanke, dass ab ihrem Einstieg alles perfekt in Richtung „viel Geld in wenig Zeit“ laufen werde, so etwas wie eine Garantie sei. Ist er aber nicht. Die Börse ist, auch, wenn es an der Börse aktuell ein wenig so wirkt, kein Wunschkonzert. Und wer sich beide Seiten der Medaille anschaut, wird schnell merken:

Schnell rauf, aber auch schnell runter: Der Nasdaq 100 ist nicht jedermanns Sache!

Der Nasdaq 100 ist, egal, ob auf kurz-, mittel- oder langfristiger Ebene, der stärkste Performer von allen … aber wenn er mal fällt, dann fällt er auch deutlich schneller und weiter als der Rest. Die starke Performance gibt es nur zum Preis einer im Vergleich zu anderen Indizes höherer Volatilität. Was bedeutet:

Einfach neuen Hochs hinterher zu laufen und regelmäßig zuzukaufen, ist nicht genial, sondern riskant. Sehen wir uns das mal im Vergleich zum altehrwürdigen Dow Jones an, der zwar im Vergleich zum DAX immer noch stärker ist, in Relation zum Nasdaq 100 aber wie eine lahme Ente wirkt.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und Dow Jones im Vergleich von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und Dow Jones im Vergleich von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Anfang 2022 war die Performance-Schere zwischen Dow Jones und Nasdaq 100 immens, obwohl dieser Chart nur fünf Jahre abbildet, d.h. in nur zweieinhalb Jahren vor dem Beginn des Abstiegs des Nasdaq 100 Anfang 2022 hat dieser den „lahmen“ Dow verblüffend weit unter sich gelassen. Doch im Herbst 2022 war das Gros dieses Vorsprungs auf einmal dahin. Der Nasdaq 100 mit seinen meist dem Tech-Sektor zuzuordnenden Aktien ist wie ein Fahrstuhl:

Schnell rauf, aber auch schnell runter. Man sollte also tunlichst nicht zum falschen Zeitpunkt in diesen Fahrstuhl einsteigen, sprich nicht ausgerechnet kurz vor dem höchsten Stockwerk. Das Dumme ist: Wo „oben“ ist, ist hier, im Gegensatz zu einem Fahrstuhl, beim Einstiegen nicht erkennbar. Das bedeutet:

Man sollte sich auskennen und dranbleiben, d.h. das nötige Fachwissen erworben haben … Erfahrung haben, um auch in hektischen Phasen mit ruhiger Hand zu agieren … und das Geschehen stets im Blick behalten. Für „buy & hold“ und für Anleger, die einfach nur monatlich ein wenig im Aktienmarkt investieren und damit über einige Jahre einen Teil ihrer Altersvorsorge bilden möchten, ist das kein ideales Feld. Aber aus meiner Sicht gäbe es dazu eine Alternative: Warum denn nicht stattdessen im S&P 500 investieren?

Der S&P 500: Zwischen allen Stühlen … und damit mittendrin im Geschehen!

Der Dow Jones umfasst 30 Aktien, der Nasdaq 100, wie der Name bereits andeutet, 100. Der S&P 500 listet aber 500 Aktien und bietet damit eine weitaus größere Streuung der Chancen und Risiken. Ja, könnte man einwenden, da sind dann aber auch eine Menge „Krücken“ dabei, die die Performance bremsen!

Eher nicht. Zum einen heißt „kleiner“ nicht zugleich „schwächer“. Zum anderen sind im S&P 500 die Top-Aktien des Nasdaq 100 und die Aktien aus dem Dow Jones mit dabei. Und die haben fast alle eine höhere Gewichtung im S&P 500 als diejenigen Titel, die nicht in diesen beiden Indizes mit drin sind. So gesehen hätte man mit dem S&P 500 eine Art Vermittler zwischen der relativen Stabilität des Dow Jones und der hohen Volatilität nebst insgesamt stärkerer Performance des Nasdaq 100. Sehen wir uns das mal über eine Zeitspanne von 20 Jahren an, die man für ein sinnvolles Investment zum Zweck der Aufbesserung der Alterssicherung anpeilen könnte:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100, Dow Jones, S&P 500 und DAX Kursindex  im Vergleich von 2004 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100, Dow Jones, S&P 500 und DAX Kursindex im Vergleich von 2004 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Sie sehen, dass der S&P 500 zwar nicht an den Nasdaq 100 heranreicht, aber klar besser lief als der Dow Jones … und weniger volatil wie der Nasdaq 100 ist, so dass man hier eher regelmäßig zukaufen kann und nicht so sehr Gefahr läuft, kurz vor einem massiven Abriss zu viel Kapital investiert zu haben. Denn Verluste holen sich auch im Nasdaq 100 nicht zwingend ruckzuck von alleine auf.

Mit im Bild: der DAX Kursindex zum Vergleich. Nicht der deutlich besser gelaufene DAX Performanceindex, den viele als einzigen DAX kennen, denn nur der DAX Kursindex wird genau so berechnet wie diese drei US-Indizes, die nämlich ebenso wie der DAX Kursindex keine Dividenden wie Kursgewinne obendrauf rechnen. Was der Grund ist, warum der DAX Performanceindex scheinbar so stark ist, diese Dividenden und ihr Zinseszins-Effekt über die Jahre machen das aus, nicht die Kurse der Aktien allein.

Volatil sind Aktien immer, aber das sollte man besser in Maßen genießen

Der S&P 500 als „Mittler zwischen den Welten“ umfasst die New Economy und die Bereiche des KI-Hypes ebenso wie die defensiven Branchen der sogenannten “Old Economy“. Sicher, im Moment würden viele unbesehen den Nasdaq 100 allen anderen Indizes vorziehen, Performance macht halt Eindruck. Aber man würde außer Acht lassen, dass der Nasdaq 100 nicht immer ein Füllhorn der Gewinne war, sondern auch schon als Kapitalvernichter fungierte. Der folgende Chart erinnert an diese Zeit zwischen 2000 und 2003:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und S&P 500 im Vergleich von 1995 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und S&P 500 im Vergleich von 1995 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Ob der KI-Hype an der Börse aktuell bereits mit dem Internet-Hype von damals vergleichbar ist, ich weiß es nicht … gar so hoch bewertet und überkauft wie damals ist der Nasdaq 100 noch nicht. Aber wo der Kipppunkt liegt, weiß man eben nie im Vornherein, auch dazu muss ein alter Börsenspruch herhalten: „Zum Ausstieg wird nicht geklingelt“. Und je länger und weiter eine Rallye läuft, desto mehr sollte man als jemand, der hier nicht mit Spielgeld zockt, sondern seine Ersparnisse für spätere Jahre sichern und mehren will, auf die Defensive achten. Und wenn die, wie die weniger volatile Alternative namens S&P 500, dennoch in einem soliden Aufwärtstrend verläuft und man erwarten darf, dass ein Absturz weniger extrem verlaufen würde wie an der Nasdaq, dann ist das allemal etwas, das man als Fundament eines Depots ins Auge fassen könnte.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Hohe Leitzinsen bedeuten teure Kredite, hohe Hypothekenzinsen und, da sie zudem normalerweise auch noch gestiegene Preise in Schach halten sollen, schmaler werdende Geldbeutel bei den Verbrauchern. Dass der Aktienmarkt in einem solchen Umfeld gut laufen könnte, wirkt im ersten Moment absurd, ist es aber nicht, das ist in der Vergangenheit oft so gewesen. Der Haken ist aber: Diesmal liegen die Dinge etwas anders.

Der folgende Chart zeigt, dass der hierfür als Beispiel gewählte, marktbreite S&P 500-Index in den USA durchaus gut, oft sogar sehr gut lief, wenn die US-Notenbank so wie momentan nach einer Phase steigender Leitzinsen stillhielt, so dass eine Art „Hochzins-Plateau“ entstand. Und das ist gar nicht mal so unlogisch.

Denn normalerweise erfolgen Leitzinsanhebungen vorbeugend, d.h. man will ein zu starkes Wachstum bremsen (und nicht abwürgen), um zu verhindern, dass es als Nebenwirkung zu zu schnell und zu weit steigenden Preisen kommt. Also macht man Geld teurer, dadurch soll weniger auf Kredit investiert und konsumiert werden und über das tolerierbare Maß hinausgehenden Preiserhöhungen die Grundlage entzogen werden. Was bedeutet:

Auf hohem Niveau verharrende Leitzinsen bedeuten normalerweise: Der Wirtschaft geht es gut.

Wenn die Notenbanken den Leitzins anheben, tun sie das normalerweise in einem Wachstumsumfeld, in dem folgerichtig auch die Unternehmensgewinne zulegen und damit die Basis für einen Aufwärtstrend am Aktienmarkt darstellen. Das Ziel ist, das Wachstum auf solidem, aber eben nicht zu hohem Niveau zu halten. Und solange der Anstieg der Leitzinsen nicht zu massiv ist, erzielt das seine Wirkung, ohne zugleich Konsum und Investitionen abzuwürgen. Dass der Aktienmarkt normalerweise zusammen mit dem Wachstum weiter anzieht, ist also grundsätzlich normal und keineswegs „falsch“.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und US-Leitzinsen von 1997 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und US-Leitzinsen von 1997 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

In einer solchen Situation kann eine Notenbank den Leitzins so lange auf dem angehobenen Niveau belassen, bis es zu negativen Nebenwirkungen der höheren Zinsen kommt. Denn natürlich werden so die Refinanzierung des Staates ebenso wie die der Unternehmen teurer, die Kreditkosten steigen. Bei Ablauf von Zinsbindungen ebenso wie bei der Neuverschuldung drückt das auf das Konsum- und Investitionspotenzial.

Aber, und das ist der günstige Nebeneffekt, es drückt durch ein dann langsam nachlassendes Wachstum auch auf die Preise. D. h. der gewünschte Effekt, den Preisanstieg zu verringern oder sogar zu stoppen, wird dadurch erreicht. Die Notenbank kann daraufhin die Zinsen behutsam senken und so das Wachstum wieder unterstützen. Ein Auf und Ab, das, mit Fingerspitzengefühl umgesetzt, die Wirtschaft in geordneten Bahnen hält. So wie heute auch? Nein, denn diesmal ist einiges anders.

Risikofaktor 1: Die Bewertung

Wenn wir zu den beiden obenstehenden Aspekten noch die Bewertung des Aktienmarkts hinzunehmen, stellen wir fest: Während das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis der im Dow Jones gelisteten Aktien in früheren Phasen eines Hochzins-Plateaus im Vorfeld meist sank und immer im Verhältnis zum längerfristigen Schnitt niedrig war, ist es jetzt ungewöhnlich hoch. Und für eine Phase außerhalb einer Rezession, in der das KGV steigt, weil die Gewinne schneller einbrechen, als die Kurse fallen können, ist es sogar sehr hoch. Woran liegt das?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500, KGV der Dow Jones Aktien und US-Leitzinsen von 1997 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung S&P 500, KGV der Dow Jones Aktien und US-Leitzinsen von 1997 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Das liegt dran, dass die Gewinne der großen, börsennotierten Unternehmen zwar weiter steigen, weil die Blue Chips eine derart starke Marktposition haben, dass hohe Zinsen deren Wachstum nicht stoppen (und die Verbraucher zugleich trotz hoher Zinsen relativ stark weiter konsumieren), die Kurse aber noch schneller nach oben laufen als die Gewinne. Der S&P 500 und vor allem der Nasdaq 100 sind deshalb an der Börse aktuell teuer bewertet. Im Gegensatz zu früheren Hochzins-Plateaus ist der Aktienmarkt also momentan nicht günstig, sondern hoch bis zu hoch bewertet. Das birgt das Risiko für Turbulenzen am Aktienmarkt die, da sie immer Auswirkungen auf die Verbraucher haben, für die US-Notenbank eine riskante Unbekannte darstellt.

Risikofaktor 2: Diesmal wurde hinterhergelaufen statt vorgesorgt

Wie eingangs erwähnt sollten Leitzinsen bereits als „Bremsinstrument“ zum Einsatz kommen, bevor das Kind im Brunnen liegt und nicht danach. Das funktionierte in den letzten 30 Jahren. Aber diesmal nicht. Als die „Fed“ erstmals im Frühjahr 2022 den Leitzins anhob, war die Inflationsrate mit 7,9 Prozent längst aus dem Ruder gelaufen. Man hatte geglaubt, der Preisanstieg durch die Phase der Materialengpässe würde mit dem Ende der Engpässe genauso verschwinden, lag aber falsch. Dadurch musste man diesmal hektisch nachsteuern. Und das birgt ein erhebliches Risiko für die Konjunktur, denn:

Börse aktuell: Entwicklung US-Leitzins und US-Inflationsrate von 1992 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung US-Leitzins und US-Inflationsrate von 1992 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Dadurch musste der Leitzins viel schneller und weiter angehoben werden als in den vorherigen Phasen. Und je drastischer die Veränderung bei den Kosten für geliehenes Geld ist, desto heftiger sind die Auswirkungen. Aber vor allem bedeutet das, dass die Notenbank – das gilt für die EZB genauso – jetzt hohe Zinsen fährt, obwohl die Preise bereits immens höher liegen. Die Prophylaxe fiel also aus, so dass nicht nur das Geld für Anschaffungen und Investitionen teurer ist, sondern auch der Preis der Anschaffungen und Investitionen selbst. Wie ungewöhnlich das ist, zeigt die nächste Grafik, in der wir die reale Preisveränderung über den HVPI (Harmonisierter Verbraucherpreisindex) im Vergleich zum Leitzinslevel für die Eurozone sehen.

Börse aktuell: Entwicklung EZB Leitzins und nominaler Preisanstieg der Eurozone von 1998 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung EZB Leitzins und nominaler Preisanstieg der Eurozone von 1998 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Die Folge: Das Zauberlehrling-Problem

Dieses Hinterherlaufen hinter bereits deutlich zu stark gestiegenen Preisen hat seine Folgen: Die Lohn/Preis-Spirale läuft. Regierungen streuen Geld unter die Verbraucher, Unternehmen heben die Löhne viel stärker an als üblich. Zwar mit der Grundidee, die Wirtschaft dadurch zu stabilisieren, indem man den Verbrauchern die Kaufkraft erhält, die unter diesem Doppeldruck aus hohen Preisen und teurem Geld natürlich unter Druck kommt. Aber das hat eben einen Nebeneffekt:

Steigen die Löhne zu stark, müssen die Unternehmen wegen der dadurch gestiegenen Kosten die Preise erhöhen, wenn sie nicht wollen, dass ihre Gewinne sinken. Und das wollen sie, wie wir alle wissen, ganz und gar nicht. Zugleich geht die Staatsverschuldung wegen der höheren Ausgaben zur Eindämmung der Inflationsfolgen bei zugleich viel höheren Zinsen für die Schuldenfinanzierung durch die Decke. Und so setzt ein Kreislauf ein, eben diese Lohn/Preis-Spirale. Eins führt immer wieder zum anderen. Und das Dumme dabei ist:

Das läuft wie bei Goethes Zauberlehrling, der seinen Besen zwar in Gang setzen, aber nicht mehr stoppen konnte: Es gibt keine Lösung dafür, zumal die Notenbanken auf diesen Bereich ja nicht direkt einwirken können. Keine Lösung … außer einer, die da wäre:

Die US-Notenbank weiß schon, warum sie so vorsichtig ist

Die Löhne steigen nicht mehr, die Nachfrage stagniert oder sinkt, das stoppt die Teuerung und macht erneute, zu hohe Lohnerhöhungen unnötig. Aber:

Dazu müssten die Unternehmen mitspielen. Was sie nicht tun werden. Also?

Also bleibt, auch und gerade wegen dieser Lohn/Preis-Spirale, zumindest für die ganz großen Unternehmen ein günstiges Umfeld für steigende Unternehmensgewinne erhalten, die Gefahr, dass die Inflation plötzlich wieder massiv anzieht, aber auch. Und es bleibt das Risiko, dass dieses „Double-Feature“ aus hohen Zinsen und hohen Preisen über kurz oder lang auch in den USA dazu führt, dass den Verbrauchern die Puste ausgeht und die Rezession doch noch kommt, die letzten Monate lieferten Indizien dahingehend, dass das bereits losgeht.

Nun ließe sich sagen: Macht nichts, dann geht die „Fed“ eben zügig mit den Leitzinsen runter und schon läuft wieder alles. Sagen lässt sich das leicht. Das ohne massiv negative Folgen hinzukriegen aber weniger. Weil?

Weil dann der Aufschiebe-Effekt einsetzt. Unternehmer und Verbraucher stürzen ja nicht gleich nach der ersten Leitzinssenkung los und nehmen wieder massiv Kredite auf. Wenn sie davon ausgehen können, dass die Zinsen weiter sinken … und ggf. auch noch schnell … werden sie alles aufschieben, was nicht umgehend gekauft werden muss, bis Kredite wirklich billiger sind. Dass dieses Verhalten ebenso logisch wie üblich ist, sehen wir im folgenden Chart:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und US-Leitzinsen von 1991 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und US-Leitzinsen von 1991 bis 2024 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Die Notenbanken sehen sich also zwischen zwei Mühlsteinen: Zwischen der Lohn/Preis-Spirale auf der einen und dem Rezessionsrisiko durch den Aufschiebe-Effekt auf der anderen Seite. Ideal wäre für sie, hellsehen zu können, zu wissen, was die Verbraucher tun werden, die Politik, die Unternehmen, also die für das „Große Ganze“ entscheidenden Gruppen, auf die sie keinen direkten Einfluss nehmen können. Aber das können sie eben nicht.

Aber nur dann könnte man sicher sein, dass man nicht entweder zu früh mit Senkungen beginnt (was die Inflation zurückbringen könnte, aber auf jeden Fall den rezessiven Druck in Form des Aufschiebe-Effekts lostreten würde) … oder zu spät, was dann bedeuten würde, dass man eine bereits wegen der teuren Zinsen und Preise zusammenklappende Konjunktur umgehend retten müsste.

Was dann indes hieße, den Leitzins umgehend wieder unter den neutralen Zins zu senken, was zur Folge hätte, dass die nächste Phase des „Gratis-Geldes“ begänne … und mit ihr die üblen Folgen einer solchen Nullzinspolitik. Denn vor allem derentwegen stehen wir ja jetzt in diesem Schlamassel.

Fazit: Dass die US-Notenbank letzten Mittwoch so auffällig vorsichtig und defensiv daherkam, wundert mich absolut nicht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Bisweilen hat man den Eindruck, als würden sich die Kurse absurd verhalten, das aber mit sturer Konsequenz. Dieser Eindruck täuscht auch nicht, denn computergesteuerte Handelsprogramme werden immer dominanter … und nicht nur sie führen dazu, dass Rahmenbedingungen und Kurse oft völlig konträr unterwegs sind. Aber ist das für uns Anleger wirklich ein Nachteil?

Die im letzten Herbst die Kaufwelle am Aktienmarkt begründende Zinssenkungsphantasie ist jetzt auf der langfristigen Ebene gelandet, auf deren vermeintlich kurzfristigen Charakter hin hatte man aber monatelang wie wild vorgekauft. Das Wachstum in der Eurozone liegt irgendwo zwischen null und „nicht der Rede wert“. Und in den USA beginnen die hohen Zinsen, die vorerst auch hoch bleiben, mit dem Wachstum zu tun, was hohe Zinsen eben so tun: Sie würgen es ab.

Kein Wunder, dass die Aktienmärkte  … steigen? Was geht denn hier an der Börse aktuell vor, könnte sich ein Investor fragen, der über Erfahrung und Fachwissen verfügt. Es spricht doch so gut wie nichts für, aber sehr viel gegen weiter steigende Kurse auf diesem Niveau des Aktienmarkts, oder? Sind denn alle dumm geworden?

Antwort auf Frage 1: Stimmt, wenn man die Sache nüchtern und mit Logik angeht, müssten am Aktienmarkt jetzt, da man auch noch die EZB-Zinshoffnungen auf die Langfrist-Schiene verlagern muss, längst mehr Verkäufe als Käufe zu sehen sein. Antwort auf Frage 2: Kommt drauf an, ob man die Maschinen meint, die das entscheidend mit verursachen oder die Maschinisten. Erstere sind seit eh und je dumm wie zwei Meter Feldweg. Letztere setzen sie aber genau deswegen ein. Um einem „was faselt der da“ zuvorzukommen, gleich zum Punkt:

Handelsprogramme denken nicht. Und wer sie einsetzt, will das auch nicht.

Handelsprogramme machen genau das, was man ihnen vorher vorgegeben hat, nicht mehr und nicht weniger. Sie hinterfragen nicht, sie denken nicht, die brauchen keine Pausen und fallen seltener aus als ein handelsüblicher, menschlicher Trader.

Börse aktuell: Verteidigung der Supportlinie im Nasdaq 100 durch Handelsprogramme | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Verteidigung der Supportlinie im Nasdaq 100 durch Handelsprogramme | Quelle: marketmaker pp4

Und was gibt man diesen Programmen vor? Fast alle Systeme agieren auf Basis einer Kombination aus chart- und markttechnischen Aspekten. Die Rahmenbedingungen taugen als Vorlage für solche Handelsprogramme nicht, weil sie immer kompliziert zu interpretieren sind, vom Gesamtbild abhängen und viel zu zahlreich sind, um als explizites Long- oder Short-Argument erfassbar zu sein. Was bedeutet:

Handelsprogramme agieren völlig unabhängig von der Gesamtsituation, die ja (eigentlich) die Vorlage für Auf- oder Abwärtstrends sein müsste. Aber ist deren Einsatz dann nicht eine unheimlich unkluge Idee? Denn dadurch könnten diese Systeme ja völlig falsch liegen?

Bewusst oder unbewusst: Ein Großteil des Markets zieht mit

Könnten sie, wenn sie nur vereinzelt eingesetzt würden und damit keinen nennenswerten Anteil am Gesamtumsatz hätten. Aber große Adressen agieren immer mehr mit solchen Programmen, auch und gerade, weil sie zuverlässiger, schneller und billiger sind als Horden von teuer bezahlten Tradern in riesigen Handelssälen, wie wir das aus früheren Jahrzehnten kannten. Zumal die Positionen immer größer und komplexer werden. Da müssen Computer ran. Und da die nicht aus dem Bauch heraus oder nach komplexen Gedankenmodellen handeln, sondern nach einem einprogrammierten Schema, ist das definitiv von Vorteil, weil sie damit vorhersehbar sind.

Hinzu kommt, dass die Handelsprogramme durch ihre chart- und markttechnische Ausrichtung automatisch Schützenhilfe von anderen Gruppen im Markt erhalten. So handeln sie stur trendfolgend, sei es auf extrem kurzfristiger Intraday-Basis oder im Tages- oder Wochen-Zeitraster, Und das tun andere ja auch: die technisch orientierten privaten Trader zum einen und, wichtiger noch, der „normale Privatanleger“. Denn was tun letztere denn meist?

Sie kümmern sich mangels Fachwissen und/oder Interesse nicht um die Rahmenbedingungen. Für sie gibt es also kein „müsste aber“, an dem versierte Anleger eben wegen dieser oft absurd wirkenden Trendbewegungen am Markt verzweifeln. Wenn DAX, Dow & Co. steigen, kaufen sie weiter, oft über ETFs, wo die dort sitzenden Profis zwar womöglich wissen, dass der Markt längst überhitzt ist, die aber keinen Spielraum für persönliche Erwägungen haben, weil Geld, das neu hereinkommt, sofort investiert werden muss. Zugleich verlängern viele der unerfahrenen Anleger Trends im Kopf in alle Ewigkeit und verkaufen oft erst, wenn eine Trendwende längst vollzogen und ein Abwärtstrend schon längere Zeit vorhanden ist.

Gerade bei Aufwärtstrends – aber auch bei sehr starken Abwärtsbewegungen – agieren damit die Handelsprogramme, die technischen Trader und die Privatanleger Hand in Hand. Und das hat genau die Auswirkungen, durch die erfahrene Anleger vor lauter Kopfschütteln einen Drehwurm bekommen, wenn sie sich nicht immer wieder daran erinnern, warum der Markt sich öfters ziemlich seltsam verhält.

Börse aktuell: Entwicklung DAX und beste und schlechteste Aktie im Index im Vergleich im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und beste und schlechteste Aktie im Index im Vergleich im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die unmittelbaren Auswirkungen dieser „unsichtbaren Hände“

„Rettungsaktionen“ wie die beim Nasdaq 100 im Chart ganz oben, bei denen eine Reaktion auf „bad news“ zwar kurz und heftig ausfällt, dann aber auf noch viel heftigere Käufe trifft, die genau so lang anhalten, bis ein negatives Signal im Chartbild vom Tisch ist: Das ist ein typisches Zeichen dafür, dass Handelsprogramme aktiv für den Erhalt des Trends sorgen.

Wenn das Momentum eines Trends bis zum Exzess weiter verfolgt wird, obwohl die zugrunde liegende Aktie (oder ein Index) längst über-/unterbewertet und überkauft bzw. überverkauft ist, ist das ein Signal für dominierende Handelsprogramme mit technisch orientierten Tradern in ihrem Windschatten. Denn diese Systeme verfolgen einen Trend eben ohne Ansehen externer Faktoren, weil sie nun einmal nicht „nachdenken“ oder über den Tellerrand ihrer programmierten Vorgaben schauen können.

Daher „merken“ Handelsprogramme auch nicht, dass sie in einem Umfeld immer weiter Long gehen, das eigentlich das Gegenteil einfordern würde. Dass das in den vergangenen Jahren immer extremer der Fall ist, sieht man am Beispiel (einem von vielen) des Verlaufs des marktbreiten US-Index S&P 500 im Verhältnis zum US-Einkaufsmanagerindex für die Industrie, siehe der folgende Chart. Liegt Letzterer unter 50 und damit im rezessiven Bereich, ist das ein negatives Signal, das Druck auf die Unternehmensgewinne bedeutet. Dies in Kombination mit den derzeit hohen und voraussichtlich längere Zeit hoch bleibenden Zinsen wäre markant bärisch – eigentlich. Aber davon wissen die Handelsprogramme eben nichts.

Börse aktuell: Entwicklung US-Einkaufsmanagerindex und S&P 500 im Vergleich von 2013 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Einkaufsmanagerindex und S&P 500 im Vergleich von 2013 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Der Einsatz solcher Systeme kann sogar so weit führen, dass ein Markt insgesamt steigt, obwohl kaum frisches Geld hinzukommt. Dann sieht man eine Art „Ballett“ zwischen einzelnen Aktien oder Indizes: Mal steigt der eine und der andere gibt nach, dann ist es umgekehrt. Es wirkt nicht nur, als würde man einen US-Dollar dann ständig im Kreis herumreichen, es ist quasi so. Kauft man mit dem freiwerdenden Geld dann gezielt dort, wo wenig Verkaufsorders im Markt liegen, kann man mit diesem „raupenartigen“ Vorgehen den Markt insgesamt ohne frisches Geld stützen bzw. leicht nach oben ziehen. Und damit Privatanleger und technisch orientierte Trader bei der Stange halten, ein Beispiel dafür mit Apple und Amazon (als willkürlich herausgegriffene Aktien) sehen wir unten.

Aber ist all das denn für einen privaten Investor wirklich ein Problem? Nein, das ist es nicht … wenn man um die Rolle solcher Handelsprogramme weiß, kann man sich da durchaus „dranhängen“.

Für den Privatanleger sind diese Handelsprogramme eigentlich ein Segen

Man muss nicht wissen oder erahnen, wie die großen Handelsprogramme am Markt genau vorgehen. Wobei man das mit viel Mühe und Zeitaufwand durchaus einigermaßen herausfinden könnte. Ich selbst habe viele Jahre herumgebastelt, bis ich die Grundsystematik der Standard-Systeme herausfand (die ich aber jetzt nicht herausrücken werde) und dabei feststellte: Schau mal einer an, das ist ja simpler als ich dachte.

Es reicht zu wissen, dass die Systematik von ihrer Basis her meist sehr einfach ist. Und das muss sie auch sein, denn Handelsprogramme müssen nicht jede spezielle Situation abdecken, dann werden sie zu kompliziert. Da es am Markt extrem viele „spezielle Situationen“ gibt und keine genau der anderen gleicht, fährt man am besten, wenn man ein System hat, das so robust wie ein Traktor ist. Und genau so sollte man, wenn man den Weg für sich wählen will, der am wenigsten steinig ist, ebenfalls vorgehen.

Wenn man weiß, wie die Sache läuft und damit versteht, warum absurde Dinge nicht nur vorkommen, sondern warum sie dann auch bis zum Exzess weitergetrieben werden … wenn man zudem weiß, wie dominant diese sture Trendfolge ist, ob mit oder gegen die Rahmenbedingungen … dann folgt man ihr. Das ist, als würde man den kürzesten Weg via Autobahn wählen und die Alternative, den unsicheren und auch noch längeren Trampelpfad, links liegen lassen. Einfache Sache … aber Vorsicht!

Börse
Seltsames “Ballett” zwischen Apple und Amazon Aktie | Quelle: marketmaker pp4

Vorsicht, das sind keine reinen „Kaufprogramme“!

Auch, wenn es derzeit so wirkt, in den diesen Artikel begleitenden Charts wird ja schon deutlich, dass diese Systematik nicht bedeutet, dass die Kurse für immer steigen müssten. Handelsprogramme sind keine „Kaufprogramme“, sie können auch aussteigen und/oder drehen, z.B. wenn Chart- und/oder Markttechnik einen überhitzten Markt oder eine bärische Chartkonstellation melden.

Zwar agieren diese Systeme nicht alle gleich, so dass man in solchen Situationen einen Zustand erlebt, in dem die einen Systeme kaufen, die anderen verkaufen, so dass sich eine Abwärtswende öfter zäh gestaltet. Wodurch man bei einem oberflächlichen Blick denken könnte, dass da nur eine kleine Seitwärtsbewegung mit etwas höherer Volatilität vorliegt, während die Programme unsichtbar um die Trendrichtung ringen. Aber wenn es mal abwärts geht, dann oft schnell und weit. Grund:

Da wird dann ja nicht mit sukzessiv und langsam neu zufließendem Kapital Stück um Stück gekauft. Da wird dann verkauft, was da ist. Und wenn ein Handelsprogramm ein bärisches Signal generiert hat, arbeitet es ja genauso rasant, kompromisslos und so lange, wie die Indikation vorliegt, weiter. Das läuft wie der Bruch eines Staudamms ab, daher:

Konsequent einem Trend zu folgen, weil man weiß, dass man die Handelsprogramme dabei im Rücken hat, die sogar dann weiterkaufen, wenn der Markt überkauft ist, überbewertet ist und grundsätzlich in die falsche Richtung läuft, das geht. Aber sich dabei stur auf die Long-Seite zu verlegen und zu glauben, dass diese Programme immer in Abwärtsbewegungen hinein an irgendwelchen Supportmarken die Kuh vom Eis holen, das geht nicht. Konsequente Trendfolge ist eine gute Sache, wenn sie wirklich konsequent betrieben wird. Und das wird sie nur, wenn man bereit ist, in beide Richtungen zu agieren!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt